Der Dialog (hier in der Übersetzung von F.Susemihl 1856) von Plato ist sehr
umfassend, an markanten Stellen habe ich Links zu den anderen Seiten
eingebaut, das Sie beim lesen gleich Querverbindungen aufstellen können.
Über Solon, Athen und ATLANTIS
Kritias:
,,Vor allem nun wollen wir uns zunächst
ins Gedächtnis zurückrufen, dass es im Ganzen neuntausend Jahre her sind,
seitdem, wie angegeben worden, der Krieg zwischen denen, welche jenseits
der Säulen des Herakles und allen denen, welche innerhalb derselben
wohnten, entstand, welchen ich jetzt vollständig zu erzählen habe.
Nun wurde schon angeführt, dass an der spitze der Letzteren unsere Stadt
stand und den ganzen Krieg zu Ende führte, wahrend über die Ersteren die
Könige der Insel Atlantis herrschten, welche, wie ich bemerkt habe, einst
größer war als Libyen und Asien, jetzt aber durch Erderschütterungen
untergegangen ist und dabei einen undurchdringlichen Schlamm
zurückgelassen hat, welcher sich denen, die in das jenseitige Meer
hinausschiffen wollen, als Hindernis ihres weitern Vordringens
entgegenstellt.
Ein Bild nun der vielen ungriechischen Völker und sämtlicher
Hellenenstämme, welche es damals gab, wird der Verfolg unserer Erzählung
im Einzelnen, wie es gerade die Gelegenheit mit sich bringt, entrollen;
die Verhältnisse der alten Athener und ihrer Gegner, mit denen sie Krieg
führten, das heißt die Macht und Staateinrichtungen von Beiden, dagegen
ist es nötig sogleich voraufzuschicken.
Unter ihnen selber aber verdient die Schilderung der hiesigen Zustände den
Vorrang.''
Kritias:
,,Indessen muss ich meinen Bericht noch
die Bemerkung unmittelbar vorausschicken, dass ihr euch nicht etwa wundern
möget, wenn ihr ungriechischen griechische Namen geben hört, denn ihr
sollt den Grund davon erfahren.
Da nämlich Solon ja diese Erzählung zu einem Gedichte zu verwenden
bezweckte, so forschte er nach der Bedeutung der Namen, und da fand er
nun, dass jene Ägypter, welche sie zuerst aufgezeichnet, sie in ihre
eigene Sprache übersetzt hatten, und so nahm er seinerseits wieder den
Sinn jedes Namens vor und schrieb ihn so nieder, wie er, in unserer
Sprache übertragen, lautete.
Und diese Aufzeichnungen befanden sich denn auch bei meinem Großvater, und
ich besitze sie noch, und sie sind von mir in meinen Knabenjahren
sorgfältig durchgelesen worden.
Wenn ihr daher eben solche Namen hört, wie hier zu Lande, so lasst euch
das nicht Wunder nehmen, denn ihr wisst jetzt die Ursache davon.
Von der langen Erzählung lautete der Anfang nun damals ungefähr
folgendermaßen.''
,,Wie schon im Obigen erzählt wurde, dass die Götter die ganze Erde unter
sich teils in größere, teils in kleinere Teile verteilt und sich selber
ihre Heiligtümer und Opferstätten gegründet hätten, so fiel auch dem
Poseidon die Insel Atlantis zu, und er verpflanzte seine Sprösslinge, die
er mit einem sterblichen Weibe erzeugt hatte, auf einen, Ort der Insel von
ungefähr folgender Beschaffenheit.
Ziemlich in der Mitte der ganzen Insel, jedoch so, Dass sie an das Meer
Stieß, lag eine Ebene, welche von allen Ebenen die schönste und von ganz
vorzüglicher Güte gewesen sein soll. Am Rande dieser Ebene aber lag
wiederum, und zwar etwa sechzig Stadien vom Meer entfernt, ein nach allen
Seiten niedriger Berg.
Auf demselben nun wohnte einer von den daselbst im Anfange aus der Erde
ersprossenen Männer, namens Euenor, zusamt seiner Gattin Leukippe, und sie
hatten eine einzige Tochter, Kleito, erzeugt. Als nun das Mädchen in das
Alter der Mannbarkeit gekommen war, starben ihr Mutter und Vater, Poseidon
aber ward von Liebe zu ihr ergriffen und verband sich mit ihr.
Er trennte auch den Hügel, auf welchen sie wohnte, rings herum durch eine
starke Umgehung ab, indem er mehrere kleinere und größere Ringe
abwechselnd von Wasser und von Erde um einander fügte, und zwar ihrer zwei
von Erde und drei von Wasser, und mitten aus der Insel gleichsam
herauszirkelte, so dass ein jeder in allen seinen Teilen gleichmäßig von
den anderen entfernt war; wodurch denn der Hügel für Menschen unzugänglich
ward, denn Schiffe und Schifffahrt gab es damals noch nicht.
Für seine Zwecke aber stattete er die in der Mitte liegende Insel, wie es
ihm als einem Gotte nicht schwer ward, mit allen Nötigen aus, indem er
zwei Wassersprudel, den einen warm den anderen kalt, dergestalt, dass sie
aus einer gemeinsamen Quelle flossen, aus der Erde emporsteigen und
mannigfache und reichliche Frucht aus ihr hervorgehen ließ.
An männlicher Nachkommenschaft aber erzeugte er fünf Zwillingspaare und
zog sie auf, zerlegt sodann die ganze Insel Atlantis in zehn Landgebiete
und teilte von ihnen dem Erstgeborenen des ältesten Paares den Wohnsitz
seiner Mutter und das umliegende Gebiet, als das größte und beste. zu und
bestellte ihn auch zum König über die anderen; aber auch die machte er zu
Herrschern, indem er einem jeden die Herrschaft über viele Menschen und
vieles Land verlieh.
Auch legte er allen Namen bei, und zwar dem ältesten und Könige den, von
welchen auch die ganze Insel und das Meer, welches ja das atlantische
heißt, ihre Benennungen empfingen; nämlich Atlas ward dieser erste damals
herrschende König geheißen.
Dem nach ihm geborenen Zwillingsbruder ferner, welcher den äußersten Teil
der Insel, von den Säulen des Herakles bis zu der Gegend welche jetzt die
gadeirische heißt und von der damals so genannten Bezeichnung empfangen
hat, als seinen Anteil erhielt, gab er in der Landessprache den Namen
Gadeiros, welcher auf griechisch Eumelos lauten würde und auch jene
Benennung des Landes hervorrufen sollte.
Von dem zweiten Paare sodann nannte er den Einen Ampheres und den anderen
Euämon, von dem dritten Erstgeborenen Mnaseas und den folgenden Atochton,
von dem vierten den Ersten Elasippos und den Zweiten Mestor, von dem
fünften endlich empfing der Frühergeborene den Namen Azaees und der
Letztgeborene den Namen Diaprepes.
Diese alle nun samt ihren Abkömmlingen wohnten hier viele Geschlechter
hindurch und beherrschten auch noch viele andere Inseln des Meeres,
überdies aber, wie schon vorhin bemerkt wurde, auch noch die hier
innerhalb Wohnenden bis nach Ägypten und Tyrrenien hin.''
Kritias:
,,Von Atlas nun stammte ein zahlreiches
Geschlecht, welches auch in seinen übrigen Gliedern hochgeehrt war,
namentlich aber dadurch, dass der jedesmalige König die königliche Gewalt
immer den ältesten seiner Söhne überlieferte, viele Geschlechter hindurch
sich den Besitz dieser Gewalt und damit eines Reichtums; von solcher Fülle
bewahrte, wie er wohl weder zuvor in irgend einem Königreiche bestanden
hat, noch so leicht künftig wieder bestehen wird, und war mit Allem
versehen, was in der Stadt und im übrigen Lande herbeizuschaffen nötig
war.
Denn Vieles ward diesen Königen von auswärtigen Ländern her in Folge ihrer
Herrschaft zugeführt, das Meiste aber bot die Insel selbst für die
Bedürfnisse des Lebens dar, zunächst Alles, was durch den Bergbau gediegen
oder in schmelzbaren Erzen hervorgegraben wird, darunter auch die Gattung,
welche jetzt nut noch ein Name ist, damals aber mehr als dies war, nämlich
die des Goldkupfererzes, welches an vielen Stellen der Insel aus der Erde
gefördert und unter den damals lebenden Menschen nächst dem Golde am
höchsten geschätzt ward. Ferner brachte sie Alles, was der Wald zu den
Arbeiten der Handwerker darbietet, in reichen Maße hervor und nährte
reichlich wilde und zahme Tiere.
Sogar die Gattung der Elephanten war auf ihr sehr zahlreich, denn nicht
bloß die übrigen Tiere insgesamt, welche in Sümpfen, Teichen und Flüssen,
so wie die, welche auf den Bergen und welche in den Ebenen lebten, war
reichlich Futter vorhanden, sondern in gleichen Maße für diese
Tiergattung, welche die größte und gefräßigste von allen ist.
Was überdem die Erde jetzt nur irgend an Wohlgerüchen nährt, sei es von
Wurzeln oder Gras oder Hölzern oder hervorquellenden Säften oder Blumen
oder Früchten, das Alles trug und hegte die Insel vielfältig, nicht minder
die milde Frucht und die trockene, deren wir zur Nahrung bedürfen, und
alle, deren wir uns sonst zur Speise bedienen und deren Art wir mit dem
Namen der Gemüse bezeichnen, ferner die, welche baumartig wächst und Trank
und Speise und Salböl liefert; ferner die schwer aufzubewahrende Frucht
der Obstbäume, welche uns zur Freude und zur Erheiterung geschaffen ist,
und was wir zum Nachtisch aufzutragen pflegen als erwünschte Reizmittel
des angefüllten Magens für die Übersättigten - dies Alles brachte die
Insel, die damals durchweg den Einwirkungen der Sonne zugänglich war, in
vortrefflicher und bewundernswerter Gestalt und in der reichen Fülle
hervor.
Indem nun Atlas und seine Nachkommen dies Alles aus der Erde empfingen,
gründeten sie Tempel, Königshäuser, Häfen und Schiffswefte, und richteten
auch das ganze übrige Land ein, wobei sie nach folgender Anordnung
verfuhren.
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